Brandbrief an die Landesregierung Baden-Württemberg zur
geplanten Änderung des Ladenöffnungsgesetzes (LadÖG)
Sehr geehrte Damen und Herren des Ministeriums für Wirtschaft , Arbeit und Tourismus
Baden-Württemberg,
Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung,
Sehr geehrte Mitglieder des Landtags,
wir, die unterzeichnenden Betreiber von insgesamt 69 digitalen Kleinstsupermärkten in
entsprechend 69 Gemeinden im ländlichen Raum Baden-Württembergs, wenden uns mit
diesem Brandbrief an Sie, um unsere existenziellen Sorgen zur geplanten Änderung des
Ladenöffnungsgesetzes (LadÖG) vom September 2025 zum Ausdruck zu bringen. Unsere
Läden sichern die Grundversorgung von insgesamt über 215.000 Menschen in den
betroffenen Gemeinden sowie in den angrenzenden Dörfern und Weilern, wo klassische
Einkaufsmöglichkeiten seit Jahren fehlen. Wir sind kleine, innovative Unternehmen, die in
den letzten Jahren entstanden sind, um die Nahversorgung in strukturschwachen Regionen
zu sichern – Orte, an denen herkömmliche Supermärkte aufgrund von Unrentabilität
geschlossen haben oder nie existierten.
Als Betreiber personalarmer Verkaufsstellen haben wir in enger Abstimmung mit unseren
Gemeinden erhebliche Mittel und Zeit investiert und Leerstand reaktiviert, um die
Nahversorgung dort zu ermöglichen, wo große Handelskette en nicht präsent sind. Unsere
Läden sind auf eine Verkaufsfläche von maximal 150 Quadratmetern beschränkt, bieten
ausschließlich Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs (Lebensmittel, Hygieneartikel,
Haushaltsbedarf) an und funktionieren rund um die Uhr ohne Personal vor Ort – ein Modell,
das von vielen Kommunen ausdrücklich gewünscht und gefördert wird, da es die
Versorgungslücken auf dem Land schließt.
Darüber hinaus entstehen durch unsere Läden neue soziale Treffpunkte im Ort: Der Dorfkern
wird wiederbelebt und gewinnt spürbar an Attraktivität für Jung und Alt. Nicht selten wurden
diese Projekte mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt – insbesondere aus dem
Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) sowie durch explizite Anschubfinanzierungen
für sogenannte Smart Stores. O gingen damit auch umfangreiche Investitionen in die
Sanierung und Modernisierung der Bausubstanz einher. Genau diese Mittel drohen den
Gemeinden und uns nun nachträglich entzogen oder zurückgefordert zu werden, sollte der
vorliegende Gesetzentwurf letztlich zu Betriebsschließungen führen – obwohl ebendieses
Modell ursprünglich als innovativer Beitrag zur Sicherung der Grundversorgung und zur
Stärkung ländlicher Strukturen gefördert und ausdrücklich gewünscht wurde.
Pionierarbeit für den ländlichen Raum
Wir Unterzeichnenden sind kleine, innovative Unternehmen und selbstständige Kaufleute,
die Pionierarbeit leisten, wo große Supermarktketten nicht hingehen. Während große Ke en
erst ab 7.500 Einwohnern auf der „grünen Wiese“ bauen und dort x-fach höhere Umsätze
erzielen, betreiben wir unsere Läden in Gemeinden ab gerade mal 1.000 Einwohnern – o in
abgelegenen, logistisch anspruchsvollen Lagen. Wir nutzen vorhandenen Leerstand, beleben
die Dorfkerne wieder und schaffen soziale Treffpunkte, die weit über die Grundversorgung
hinausgehen. Unsere Läden bieten frische Backwaren, Obst, Gemüse, Hygieneartikel und
Haushaltsbedarf – Dinge des täglichen Bedarfs, die gerade für Ältere, Familien oder Pendler
essenziell sind. In abgelegenen Dörfern, wo es weder Bäcker noch Metzger gibt, sind wir o
die einzige Einkaufsmöglichkeit. Mit nur 100 Kunden am Tag stellen wir eine nachhaltige
Grund- und Nahversorgung sicher. Wir tragen zur Belebung der Dorfkerne bei, zur
Barrierefreiheit, zur regionalen Wertschöpfung und zur CO₂-Reduktion, indem unnötige
Fahrten in ferne Einkaufszentren en allen. Genau diese Ziele formuliert auch die Politik –
und wir erfüllen sie bereits.
Existenzbedrohung durch die geplante Regelung
Die geplante Änderung des LadÖG würde uns einen erheblichen bzw. existenziellen Teil des
Umsatzes nehmen, da Sonn- und Feiertage rund 25–35 % unseres Gesamtumsatzes
ausmachen! In ländlichen Gebieten kaufen viele Bewohner gerade sonntags spontan ein,
weil sie unter der Woche in Städten arbeiten oder samstags familiäre Verpflichtungen haben.
Eine Begrenzung auf maximal acht Stunden Öffnung (unter Berücksichtigung der
Hauptgottesdienstzeiten), komplette Schließtage an Feiertagen und das Verbot von
Bestückung oder Wartung an Sonn- und Feiertagen würden unsere Geschäftsmodelle
zerstören. Die Fixkosten (Miete, Technik, Strom) wären nicht mehr tragbar, und viele von uns
müssten ihre Läden wieder schließen. Dies wäre das genaue Gegenteil der politischen Ziele:
Statt Nahversorgung, Dorfleben und Klimaschutz zu fördern, würde die Regelung
Versorgungslücken, längere Autofahrten und höhere CO2-Emissionen verursachen – ein
Rückschritt für den ländlichen Raum in Zeiten von Klimawandel und demografischem
Wandel.
Logistische und bürokratische Hürden
Niemand wird zur Arbeit gezwungen: Jeder Mitarbeiter entscheidet selbst, ob und wann er
an Sonn- oder Feiertagen arbeiten möchte – genau wie an der Tankstelle, in der Bäckerei
oder in der Gastronomie, wo seit Jahrzehnten niemand etwas einzuwenden hat. Unsere
Läden mit maximal 150 m² Verkaufsfläche funktionieren aber generell ohne Personal vor Ort,
verstoßen daher weder gegen den Arbeitnehmerschutz noch gegen die Sonntagsruhe und
sind leise, energieeffizient und optisch unauffällig. Ein generelles Bestückungs- und
Wartungsverbot an Sonn- und Feiertagen ist für unser Modell jedoch faktisch nicht
umsetzbar. Frische Backwaren – ein Kernbestandteil der Nahversorgung – müssen täglich
aufgefüllt werden, um Qualität und Lebensmittelhygiene zu gewährleisten. Die geplante
Regelung würde ausverkaufte Regale zur Folge haben. Das Ergebnis: leere Läden, frustrierte
Kunden und ein direkter Widerspruch zum erklärten Ziel der Sicherung der Grundversorgung
auf dem Land.
An Sonn- und Feiertagen finden bei uns per se keine Warenanlieferungen per LKW statt und
es entsteht keinerlei Lärmbelästigung. Das Einzige, was aufgefüllt werden muss, ist das
Backwarenregal mit frischen Brötchen und Brot – oder soll der Kunde an diesen Tagen
gezwungen sein, extra zum Bäcker zu fahren? Hinzu kommen völlig überflüssige
bürokratische Hürden: aufwändige Genehmigungsverfahren und die Berücksichtigung lokaler
Gottesdienstzeiten schrecken potenzielle Betreiber ab, zerstören Planungssicherheit und
verhindern genau die Projekte, die Poli k und Kommunen eigentlich fördern wollen. Diese
unnötige Überregulierung steht in keinem Verhältnis zum Schutzgedanken und ist für uns
schlicht nicht hinnehmbar.
Statistische Perspektive: Sonntagsschutz vs. Nahversorgung
Nehmen wir eine Gemeinde mit 1.000 Einwohnern: Statistisch gesehen sind nur etwa 15
20 % der Bevölkerung aktive Mitglieder einer Kirchengemeinde (laut Studien wie der
Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung). Hingegen benötigen 80–90 % der Bewohner
regelmäßig Grundversorgung wie frische Backwaren, Milchprodukte oder Hygieneartikel,
gerade in abgelegenen Dörfern ohne Alternativen. Welches Recht wiegt schwerer – der
Sonntagsschutz für eine Minderheit oder die Versorgungssicherheit für die Mehrheit? Unsere
Läden sind keine Bedrohung für die Sonntagsruhe, sondern ein zukunftsweisendes Modell,
das die Lebensqualität im ländlichen Raum deutlich erhöht.
Breite Unterstützung aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.
Unsere Arbeit wird nicht nur von den betroffenen Gemeinden geschätzt, sondern findet auch
breiten Rückhalt in der lokalen Poli k, bei der Bevölkerung und bei Wirtschaftsverbänden. In
den vergangenen Wochen wurden bereits dutzende Presseartikel veröffentlicht, vielfach
initiiert durch unsere Allianz-Mitglieder, um unser Anliegen aufzugreifen und die Bedeutung
unserer Läden für die ländliche Infrastruktur hervor zu heben. Zahlreiche Bürgermeister,
Gemeinderäte und überregionale Abgeordnete wurden aktiv informiert und unterstützen
unsere Position, und auch der Städtetag Baden-Württemberg hat eine klare Stellungnahme
zur Sicherung der Nahversorgung abgegeben. Darüber hinaus unterstützt der Handels
verband unser Anliegen, da unsere Modelle innovative Lösungen darstellen und lokale
Wirtschaftskreisläufe stärken.
Wir sind im Austausch mit der IHK Oberschwaben, die unsere Pionierarbeit als Beitrag zur
wirtschaftlichen Resilienz in strukturschwachen Regionen anerkennt. Und darüber hinaus hat
die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn bereits Umfragen zur
Sonntagsöffnung durchgeführt, deren Fazit eindeutig ist: Die breite Bevölkerung steht hinter
unserem Konzept und sieht die Nahversorgung als dringlicher an als den traditionellen
Sonntagsschutz, insbesondere in Regionen ohne alternative Einkaufsmöglichkeiten. Diese
Umfragen zeigen auch, dass unsere Läden nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine
gesellschaftliche Notwendigkeit sind. Sie ermöglichen Flexibilität für Berufstätige, Familien
und ältere Menschen, die auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen sind.
All diese Rückmeldungen zeigen eines ganz deutlich: Unsere Modelle sind notwendig,
zeitgemäß und gesellschaftlich gewollt – von den Kommunen und den Menschen.
Unsere zentrale Forderung: Orientierung am bayerischen Modell
Bayern zeigt, wie moderne Regelungen im Sinne der Gemeinden und der Nahversorgung
funktionieren können. Wir möchten, dass Gemeinden selbst entscheiden, wann und wie
lokale Kleinstsupermärkte öffnen. Der 24/7-Betrieb muss möglich sein, wenn die Kommune
dies als notwendig und sinnvoll erachtet. Die Bürokratie wird insofern reduziert, die
kommunale Lebenswirklichkeit steht im Vordergrund. Wir fordern daher ausdrücklich:
• Eine Übernahme des bayerischen Ansatzes der Gesetzgebung
• Öffnungszeiten bis zu 24/7, abgestimmt und genehmigt durch die Gemeinde
Nur so können wir die Versorgung im ländlichen Raum langfristig sichern. Wir sind dabei
keineswegs gegen Regelungen – im Gegenteil: Wir sind bereit, konstruktiv an einer Lösung
mitzuwirken und eine faire Balance zwischen Sonntagsschutz und Versorgungssicherung zu                                                                                                                                                                                            finden. Dafür unterbreiten wir folgende konkreten, praxisnahen Vorschläge, die den
aktuellen Gesetzentwurf verbessern und gleichzeitig Rechtssicherheit schaffen würden:
• Begrenzung der Fläche: Eine klare Obergrenze von maximal 150 m² stellt sicher, dass
ausschließlich echte digitale Kleinstsupermärkte erfasst werden und keine größeren
Handelsketten das Modell ausweiten oder verzerren.
• Waren des täglichen Bedarfs: Unser Sortiment umfasst ausschließlich Produkte der
unmittelbaren Grundversorgung – insbesondere Lebensmittel, Getränke,                                                                                                                                                                                                                      Hygieneartikel und Haushaltsbedarf. Damit bleibt klar erkennbar, dass es sich um reine
Nahversorgung handelt und nicht um Einzelhandel im klassischen Sinne.
• Lokale Flexibilität ohne Bürokratie: Die Öffnungszeiten sollten – analog zum
bewährten bayerischen Modell – in Abstimmung mit den Gemeinden festgelegt
werden können. Die Bürgermeister und Gemeinderäte in unseren Gemeinden
unterstützen unsere Läden ausdrücklich – geben Sie ihnen das Mitspracherecht, das
ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge entspricht.
• Behandlung gesetzlicher Feiertage wie Sonntage: Da die Grundversorgung auch an
Feiertagen sichergestellt werden muss, sollten diese generell den Sonntagen
gleichgestellt werden. Dies schaffeinfache, praxistaugliche Regelungen und
verhindert unnötige Versorgungslücken.
Diese Kompromisse würden die Ziele des Entwurfs – Stärkung der Nahversorgung und
Digitalisierung – unterstützen, ohne den Sonntagsschutz zu gefährden. So wäre eine
praxistaugliche und nachhaltige Nahversorgung auch zukünftig möglich.
Aufruf zum Dialog
Wir bi en Sie dringend um einen Dialog: Laden Sie uns zu einem Runden Tisch ein, um
unsere Erfahrungen aus der Praxis einzubringen. Unser Beteiligungsprozess läuft weiter, und
wir möchten noch viele weitere Betreiber aus Baden-Württemberg kontaktieren. In den
Kommentaren von Bürgern, Gemeinderäten und in der Presse sehen wir ähnliche Bedenken
wie unsere. Ignorieren Sie all diese Summen nicht – sie repräsentieren die Realität vor Ort!
Sollte die Poli k uns aber die Geschäftsgrundlage entziehen, indem sie den Gesetzentwurf
unverändert umsetzt, sehen wir weitere medienwirksame Schritte als notwendig an. Wir sind
notfalls auch bereit, eine landesweite Unterschriftensammlung oder Petition zu initiieren, die
weit über unsere bisherige Reichweite hinausgehen wird. Mit Unterstützung der betroffenen
Gemeinden, Bürgerinitiativen, des Handelsverbands, der IHK und regionalen Medien könnte
dies Zehntausende von Summen mobilisieren – und zwar aus ganz Baden-Württemberg. Wir
wollen das nicht, sondern konstruktive Lösungen.
Die unterzeichnenden Unterstützer
Wir haben diesen Brandbrief initiiert, um möglichst viele Betreiber von digitalen
Kleinstsupermärkten zu vernetzen und eine Stimme zu geben. Bis zum heu gen Tage, dem
30.11.2025, haben sich so insgesamt 27 Unternehmer mit 69 Läden der Allianz zur
Nahversorgung angeschlossen. Die vollständige Liste wird angehängt. Wir bi en Sie mit
Nachdruck, unseren Brandbrief ernst zu nehmen und gemeinsam einen Weg zu finden, der
die Versorgung der Menschen in Baden-Württemberg sichert, statt sie weiter zu gefährden.
Wir stehen für ein Gespräch bereit und erwarten Ihre Rückmeldung, um gemeinsam
innovative Regelungen zu entwickeln, statt Bürokratie und Einschränkungen.
Mit freundlichen Grüßen,
i.A. Florian Bächle, Stefan Schrapp & Christoph Sarnowski
Allianz Nahversorgung Baden-Württemberg
E-Mail: allianz@nahversorgung-bw.de